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Auf zum 1. Kommunikationskongreß in der DDR

Der KoKon '90 findet am 24./25 Februar im Ostberliner Haus der jungen Talente (HdjT) statt. Organisiert wird er vom Computer Club im HdjT zusammen mit dem Chaos Computer Club, der inzwischen auch aus der DDR irgendwie wirkt (Recht auf freie Wahl der Organisationsstruktur der Gruppen...)
Auf KoKon '90, einem Arbeitskoregreß ist ein lockeres Aufeinanderprallen des KnowHow von bislang sechsmal Chaos Communication Congress aus Hamburg mit den real existierenden Erfahrungen der DDR geplant.
Geladen sind hierzu alle bisherigen Kongreß-Referentlnnen und alle anderen, die bürgerdiplomatisch Kommunikations-Knowhow vermitteln wollen. Verschiedene Podiumsdiskussionen und Vorträge in chaos-typisch kontrovers auf die Punkte gebrachter Form sind bislang geplant. Ein genaues Programm wird erst auf der KoKon '90 erstellt werden können, zudem laufen dort ständig verschiedene Veranstaltungen und Videovorführungen parallel. Für die Erholung von möglichen Reizüberflutungszusammenbrüchen stehen gastronomische Einrichtungen im Hause, selbstorganisiert und auch vom DDR-Grenzschutz (friedliche Kanonen, Typ Gulasch angefragt) bereit. Der Sonnabend ist der eher technischen Wissensvermittlung gewidmet, der Sonntag den gesellschaftlihen Zusammenhängen und Konsequenzen, soweit das überhaupt trennbar ist. Eine Stunde vor der Eröffnung am Samstag morgen soll Paweks Videorückblick auf 1948 gezeigt werden: Währungreform, Berlinblockade, Filmzensur, Umbau von Kriegswaffen zu Friedenszwecken uvam. Am Abend ist, wenn Rechtsfragen geklärt sind, die Vorführung von Brazil geplant, ein Film über einen nicht besonders informationsökologischen Rechtsstaat, in dem zB der Verhörte für seine Verhöre zahlen muß: je länger er nicht das Verlangte gesteht, desto teurer wird es für ihn.
Nachdem auf dem CCC'89 in einer Podiumsdiskussion BRD-Prof. Frank Copyright als Gespenst bezeichnete (Ghostbuster Gravenreuth parierte) und Kopieren "erhöhte Kulturgutsicherung" nannte. kommt auf KoKon '90 DDR-Prof. Völz zu Wort, "Warum mensch Software klauen muß" ist sein Samstag-Thema, das abzudrucken sich zwei BRD-Computerzeitungen mit zusammen sechs Buchstaben ohne Sonderzeichen wohl wegen Werbekunden weigerten. Am Sonntag vertritt er in einer Podiumsdiskussion seine Thesen zur Informationsschwelle Ost-West.
Für die GI's Dr. Heyne und Dr, Merkel von der Gesellschaft für Informatik der DDR (GIDDR) bieten wir als Anreizbegriffe Ansätze zur OSI-Gerechtigkeit nach vier Jahrzehnten Rechentechnik in der DDR: Der Sprung vom geschlossenen System ins offene Weltdatennetz; wissenschaftlicher Datenauslausch statt Geldverkehr, diese Debatte ist grob für Sonntag geplant (Lesetip: GI DDR Mitteilungen 5/6 89;ISSN 0863-0372).
Und von Robotron sind Dr. Richter und Jack zu einer weiteren Podiumsdiskussion geladen; Kommunikation und Netzwerke stehen dabei für Samstag auf dem Programm.
Auch die Herren Dr. Köhler vom Institut für Post- und Fernmeldewesen (IPF) sowie Dr. Gülzow vom entsprechenden Ministerium (MPF) wollen kommen. "Die Post als Vorbild für Lenins Staatsmodell - Demokratie als neues Postvorbild - Glasnost in der Post in West und Ost" Vielleicht ist auch noch ein x-Dritelvertreter der Bundespost bereit zum friedlichen Streit über weltweite, freie und unbehinderte Kommunikation als Ablösung bisheriger Monopolfunktionen. Oder die britische Variante: Fernsehfrequenzen meistbietend versteigern, Wasserleitungen privatisieren.
Medienmacht als Thema ist aktuell, Abwarten, wer vom DDR-Fernsehen zu einer Podiumsdiskussion bereit ist. Radio Dreyeckland, ein BRD-Bürgerradio, das einen anderen Weg als Dauerwerbespotsendung mit Musikunterbrechungen versucht, berichtet von seinen Erfahrungen und diversen Widrigkeiten auf dem Wege zur Lizensierung von den schwierigen Anfängen der Bürgerradio-Betriebsversuche im Dreyeckland Frankreich-Schweiz-BRD mit Sendern in den französischen Bergwäldern und postgelben Ätherpeilern an der Grenze. Die Dreiteilung des UKW-Bandes in 88 bis 100 MHz für öffentlich-rechtliche und private, 100-106 MHz Bürgerfunk und 106-108 MHz Bürgerdatenfunk ist ein Diskussiorisvorschlag, um die Entwicklung vom Äthermonopol unter der Partei über von der DDR-Post beklagten derzeitigen Wildwuchs zum Rundfunk demokratischer Sender in freier Form zu kommen. Es genügt ja auch ein Videorekorder und ein kleiner Kana136-oderso-Verstärker, um einen TV-Sender ins Wohnblockkabelnetz einspeisen zu können für zB lokale Sondersendungen von Videoaufzeichnungen zB Runder Tische.
Daneben stehen ein Kongreßarchiv (KOPIERWÜRDIGES MITBRINGEN!) mit Fotokopiern zur Verfügung und das, was an KommTech realisierbar ist (Sachspenden mitbringen, betreuen und übergeben!). Weitere aktive Gäste vom Institut für Kommunikationsökologie etwa werden erwartet.
Nur soviel als Anreiz: Voranmeldung sofort erbeten - siehe os Seite 161

Erste Eindrücke vom Congress

Mittwoch 26. Dezember 1990, 16.00 Uhr. Der siebte "Chaos Communication Congress" in Hamburg Eidelstedt. In gewohnt chaotisch-souveräner Routine bauen etwa zwei Dutzend Hacker aus Deutschland und den Niederlanden den Congress auf. Die meist jugendlichen Computerbegeisterten bringen neben den eigenen, zum Teil selbst erweiterten Rechnern, auch Fotokopierer und anderes Gerät mit. Der Umgang mit der Technik ist gewohnt locker, die meisten Eltern würden nur neidisch auf ihre Sprößlinge schauen, wenn sie wieder an der Fernbedienung des heimatlichen Videorecorders verzweifeln.
Die Rechnernetzwerke, für einen richtigen Hackerkongreß fast schon ein Muß, sind einen Tag vor Beginn installiert und werden unter Bedingungen getestet, die den Herstellern die Haare zu Berge stehen lassen würden. Kreuz und quer laufen improvisiert verlegte Kabel durch das Bürgerhaus.
In der Küche, deren Mannschaft, ausschließlich aus Hackern und Häksen besteht, werden Köstlichkeifen bereitet, in denen tatsächlich weder Disketten noch irgendwelche anderen Computerteile vorhanden sind.
Neben der EDV-Anwendung aus der Hobby-Ecke haben abei auch ernsthafte Computersysteme auf den Kongre Einzug gehalten. So gibt es einen eigenen Raum für Workshops über das ProfiBetriebssystern Unix. Zur Zeit gibt es allerdings noch Probleme mit der Zusammenstellung der verschiedenen Geräte.
Im Hack-Center, der Spiele-Ecke für ComputerKinder von heute, sieht es schlimmer aus, als es die Alpträume ordnungsliebender Eltern je zulassen würden: An den Wänden stehen, dicht an dicht, so ziemlich alle Rechner, die je das Licht der Welt erblicktn. Neben den neuesten Telespielen werden auch Demos,- Demonstrationsprogramme, die die Leistungfähigkeit der Rechner zeigen sollen, und neue Insider-Infos über hackenswerte Rechner ausgetauscht. Normalsterbliche würden das Kauderwelsch aus EDV-Ausdrücken und Hardwarebezeichnungen wohl kaum verstehen. Immerhin bemüht sich die Presse-Stelle um eine Übersetzung dieser etwas futuristisch klingenden Ausdrücke, um auch allen Nicht-EDV-Experten verständlich zu machen, wozu und weshalb dieser Kongreß stattfindet.
Außer dem allgemeinen Datenaustausch wird selbstverständlich viel für die Information der Besucher dieses Kongresses getan. Schließlich sollen alle, die sich hier etwas Hilfe für die Bedienung und Zusammenstellung ihrer eigenen Systeme erhoffen, auch etwas an Wissen und Information mit nach Hause nehmen.

anonym, C.C.Congress '90

Chaos Communication Congress '90

Der alljährliche Chaos Communication Congress in Hamburg vom 27. bis 29. Dezember erlebte sein verflixtes siebtes Jahr. Spät war er angekündigt und fand erstmals ohne Motto statt. "Vergessen" war die Erklärung dafür auf der Eröffnungsveranstaltung. Nach dem Prinzip Kinder an die Macht war die Projektleitung diesmal stark verjüngt.
Mit rund 350 TeilnehmerInnen waren es zwar nicht so viele wie die letzten Jahre. Doch das sorgte für deutlich weniger Hektik und mehr familiäre Atmosphäre. Auch an das leibliche Wohl war gedacht: statt gaumenfeindlicher Matschburger mit brauner Prickelsoße gab es im Chaos-Cafe neben Kaffee auch Yogitee und gut zu futtern. Nur die Fleischdosis war beim Lammgeschnetzelten etwas zu homöopathisch.
Erstaunlich war die Anzahl der Generationen auf dem Kongreß. Sie reichte vom kleinen Mädchen, das im Chaosarchiv auf einem Stuhl vor dem Kopierer stand, die Patschhand auf die Glasplatte legte und ebenso selbständig wie bewußt den COPYKnopf drückte, bis hin zu ergrauten Rentnern. Letztere waren jugendlich, als am 1.3.1936 die ersten öffentlichen Fern-SEH-Sprechstellen zwischen Berlin und Leipzig eröffnet wurden. Heute modern ist Satellitenkornmunikation. Auf dem Dach des Eidelstedter Bürgerhauses stand dann auch provokativ anmeldefrei eine Schüssel für TV- und Radioempfang. Es ist der Post nicht gelungen, irgendwelche Paragraphen in den Himmel zu hängen, um den Empfang zu behindern. Leider gestaltete sich die himmlische Suche nach Astra auf 19,2 Grad Ost als schwierig. Dafür war anstelle des schwachen AMSTRAD-Tuners der empfehlenswerte Sat-Empfänger von TECHNISAT mit frei einstellbaren Tonunterträgern aufgebaut. Daumenregel für Sat-Anlagen: ein Astra-Tuner taugt nur dann, wenn er auch den Tonunterträger von RadioRopa, den deutschsprachigen Rund-Um-Die-Uhr-Nachrichtensender, empfangen kann.
Doch das wichtige am Kongreß ist nicht die passive Aufnahme von Information, sondern aktiver Austausch, der frei florierende Flurfunk und die Kaffeehausgespräche. Dies war besonders für die ausländischen TeilnehmerInnen (überwiegend aus Europa westlich von Oder und Neiße) wichtig, da die meisten Vorträge und Diskussionsveranstaltungen auf deutsch liefen. Ein Thema war Postrecht und Geschichte. Akteneinsicht nach Ablauf historischer Sperrfristen ergab einiges interessante. So vertrat schon vor Thurn und Taxis der Bischof von Utrecht juristisch den Wind, das himmlische Kind, in seiner Diözese und kassierte von den Mehlboxen - damals Windmühlen genannt - Monopolabgaben.
Vom Verbot der badischen Metzger-POSTen, die vor 600 Jahren Briefe, Geld und Nachrichten zum nächsten Viehmarkt mitnahmen, durch einen erblichen Monopolbetrieb, der Touren machte und dafür Taxe kassierte, ging es über den Brieftransport durch die Einbecker Brauerei vor dem 30jährigen Krieg im Schnellvortrag bis zum freien Satellitenempfang dank AUTRONIC-Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und dem EG-mäßig überholten bundesdeutschen Modemreinheitsgebot der Saarbrücker Fernmeldewindprüfanstalt.
Die undeutschen Modems standen auf dem Kongreß gleich nebenan im Hackcenter im Auge des Orkans. Dort wurde ständig telefoniert, an den Netzen gestrickt und schwer erklärliches gelernt. Die Post ist inzwischen gewohnt, daß zwischen Weihnachten und Neujahr im ansonsten gemächlichen Bürgerhaus immer wieder ein Dutzend Leitungen geschaltet werden müssen. Diesmal kappte die Projektleitung während des Kongresses nur einmal alle Leitungen auf einen Streich, weil einer der Gebührenzähler kaputt war und durchdrehte. Da wurden die kaufmännischen Sektoren der Hirnrinde einiger Hacker aktiv...
Handfeste Farts gab es bei DFÜ im Umweltschutz. Der grüne Damm gegen DV-Vorurteile wird vermehrt durch Schleusen ersetzt. M.ensch U.mwelt T.echnik machte MUT mit der Einschätzung, grüne Ignoranz verändere sich in Neugier. Weiter waren DPU und Medienarbeit sowie Psyche und Computer ebenso Themen wie Datendirektanschluß ans Hirn. Diesmal reisten auch CYBERPUNKS aus Italien an. Und die Staatsaufsicht, für die es eigene Eintrittrkarten gab, kam thematisch mit dem GIO-Gesetz - der Mailboxkontrolle durch den Verfassungsschutz - und die neue Geheimbehörde für Sicherheit in der Informationstechnik ins Gerede.
Die Kontrolle ist geregelt, dagegen fehlen hierzulande die Freiheitsrechte, wie sie in den USA vergleichsweise, der FREEDOM OF INFORMATION ACT und auch z.B. die Niederlande gewähren. Als wichtiger zu fördernder Ansatz dazu wurde aus den Zentren der Macht das leider noch nicht beschlossene "Gesetz zur Förderung der Informationsfreiheit" aus Berlin vorgestellt. Das Recht der BürgerInnen auf Akteneinsicht kann eher Bundesland für Bundesland als bundesweit durchgesetzt werden. Schon die Junge Union aus Berlin erstellte vor über zehn Jahren erste Entwürfe dazu, Stichwort Bauskandal. Nach Parlamentarierin Lena von der AL-Berlin erklärte, was in einer Akte eigentlich drin ist und lieferte konkretes aus dem Bereiche Einwohnerverwaltung.
Die "Erstreckung" der BRD gen Osten (Fachbegriff der Verwaltung) stößt hoffentlich in der Nachstasiära auf mehr Ansätze, ein Akteneinsichtsrecht für Jedermann zu verwirklichen.
Auch dieser Vortrag ist auf Video mitgeschnitten und wird noch irgendwie ausgewertet, im ChaosArchiv mit über 100 Un-Ordnern gibt es dazu rund 100 Seiten Info, die hoffentlich bald wieder auftauchen (sind jetzt im Ordner CCC'90 Originale!)
Nu a irn inden aufgezeichnet wurden der Vortrag "Leibniz - Maschinenwelt und Netzwerke im 17. Jahrhundert" von Werner Künzel aus Berlin, die Diskussion zum Sozialversicherungsausweis und der Verdatung bei der SozVbehörde sowie der WorkShop, für Häcksen "Feminines Computerhandling".
Kopiersessions gab es diesmal nicht nur im ChaosArchiv mit Papier, an Archimedes, Ataris und PCGurken, sondern auch von Magnetkarten fast aller automatenüblichen Sorten. Die Niederländer von der Zeitschrift HackTic hatten zu ihrem, auf einem Echtholzbrett festgeschraubten Magnetkartenleser ausreichend Plastikkarten mit aufgedrucktein HackTick-Logo dabei, sodaß sich Sicherheitskopien von allen drei üblichen Spuren ziehen ließen. Nur eine leensakarte hatte ein unbekanntes Format... Auch Andern der Datensitze war leicht möglich, die Dokumentation der Datenspuren war in einer älteren HickTick auf englisch abgedruckt. Dem Reporter von BILD-Hamburg gelang es erst nach großen Mühen, den Magnetkartenleser zu fotografieren, weil die Holländer BILD nicht mochten..
Zusammenfassen läßt sich der Kongreß eigentlich nicht. Da vieles parallel lief, war es garantiert unmöglich, alles mitzubekommen. Manches fehlt auch hier. Und viele Gespräche und Erfahrungen auf dem Kongreß brauchen - das ist die Erfahrung der letzten Jahre - eher Quartale als Tage, bis sie. verdaut und umgesetzt werden.
Wer diesmal nicht dabei war und trotzdem an Ergebnissen interessiert ist, kann beim CCC, Schwencke-85, Hamburg 20 bei großzügiger Einsendung unbeleckter Briefmarken eine Diskette 3.5"/720kB oder 5.25"/36OKB bekommen mit dem, was schon während des Kongresses geschrieben wurde sowie einer geschrumpften PsychoDiplomarbeit, die besagt, daß Computerfreaks auch nicht verrückter sind als andere Leute. Oder er wartet bis zur 10jährigen CCC-Bestandsfeier im Herbst in Berlin, weil bis dann - evtl. schon zur CeBit Reader/Doku vom/über CCC'90 fertig sein könnte. Oder er kommt zum Chaos Communication Congress '91, wieder vom 27. bis 29. Dezember in Hamburg-Eidelstedt.
Wer sich aber jetzt schon dafür anmelden will, läuft Gefahr, daß das spätestens bis Dezember im diffus verwaltenden Chaos untergegangen sein wird. Das entspricht dem Resumee des Workehops für Akteneinsichtsrecht: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Und wer zu früh kommt, den bestraft die Verwaltung.

wau (>t

 

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